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Erstes Elbjazz Festival 2010 in Hamburg

Gestern Abend ging es spontan zum Elbjazz Festival 2010. Hamburg rund um Hafencity, Hansahafen, Speicherstadt und Altstadt war im Jazzfieber und bot neben tollen Locations und Künstlern insgesamt eine tolle Kulisse und machte ihrem Namen als „schönste Stadt der Welt“ mal wieder alle Ehre.

Elbjazz Festival 2010 Hamburg

Die ersten Auftritte in den verschiedenen Locations gab es um 18:30 Uhr. Für mich begann der Abend gegen 20:00 mit dem Heiko Fischer Quartet auf der Hauptbühne  bei Blohm+Voss. Das Wetter war super und fiese Regengüsse blieben uns erspart, diese hatten die Veranstalter noch befürchtet, denn in der Bühnen-Aufbauphase schüttete es wie aus Kübeln. Im Gegenteil: Die am Abend schwächer werdende Sonne bot ein tolles Schauspiel am Himmel und gab ein tolles Licht. Regenjacken und Schirme konnten in Rucksäcken und Tasche bleiben.

Till Brönner und das Jazz Quintet

Gegen 21:00 Uhr lösten  Till Brönner und sein Jazz-Quintet die Jungs vom Fischer-Quartet ab. Von Till Brönner und seiner Trompete kannte ich bisher ein paar Lieder und eine Weihnachts-CD, live gesehen hatte ich ihn bis gestern noch nicht. Er gilt ja sozusagen als einer der Pop-Stars in der Szene.

Das Quintet waren neben Till Brönner ein Bassist, ein Mann am Piano, Schlagzeuger und ein Typ mit Dreadlocks am Saxophon. Ich höre gerne Saxophon, ich finde, es ist eines der sexiesten Instrumente überhaupt. Deswegen hatte mich der Typ mit seinem Instrument musikalisch schon mal in der Tasche. Zusammen mit Till Brönner gaben die zwei eine Wahnsinns-Vorstellung fast so, als würden sie mit ihren Instrumenten ein Battle um den Sieg austragen. Die beiden hatten Spaß und haben das auch gut rübergebracht.

Soweit ich das beurteilen kann, boten die anderen Herren ebenfalls eine gute Performance. Einzig der Mann am Piano wirkte etwas angestrengt und irgendwie vermisste ich ein wenig Gefühl für das Instrument, das ich auch selber spiele..

Um ganz ehrlich zu sein, fand ich die Vorstellung okay, aber es ist doch eher eine Art von Musik, die ich mal ganz gerne zum Brunch höre oder dann, wenn sie im Hintergrund läuft und ich nebenbei zum Beispiel Artikel schreiben kann. In der Liveperformance war das nichts für mich. Um mich herum viele ältere Menschen, Typ Lehrer, Alternativ, viele ungeschminkte Frauen und ich musste unwillkürlich an den kürzlich veröffentlichten Artikel von Wolfgang Joop denken, in dem er die für ihn typische (feine) Hamburgerin beschreibt.

Als dann auch noch aus Till Brönners Trompete sturzbachartig die Spucke auf die Bühne lief – sorry, ich war echt ein bischen abgeturnt.

Es war ohnhin Zeit zur nächsten Location zu wechseln, denn wir hatten uns um 22:15 Rafael Cortés im Stage Kehrwieder Theater ausgesucht.

Auf dem Weg zu Blohm+Voss hatten wir noch zu Fuss den alten Elbtunnel durchlaufen, die Strecke zum Stage bzw. zu den Landungsbrücken sind wir mit der Barkasse gefahren – war richtig schön.

Rafael Cortés

Am Stage  angekommen standen draußen schon einige Leute, weil es innen zu voll und die Vorstellung bereits 40 Minuten über der Zeit war. Aber in solchen Warteschlangen lernt man ja immer Leute kennen und so verging die Zeit dann auch recht schnell. Drinnen bekamen wir leider keinen Platz im Innenraum an den Tischen mehr – da hätte man toll ein Glas Vino trinken und eine Kleinigkeit essen können. Ein ähnliches Erlebnis hatten wir mal in Barcelona in einem Jazzclub, in dem ich mein bisher leckerstes Thunfischsteak gegessen habe.. Aber wir bekamen Plätze auf den oberen Rängen und das war schon toll, wobei man bei der Musik, die dann folgte ohnehin kaum ruhig sitzen bleiben konnte..

Zu Flamenco Klängen, Gypsy Swing, spanischer Gitarre von Rafael Cortés, Juanfe Luengo und David Huertas und dem Gesang von Sänger Miguel Sotelo blieb kein Bein ruhig am Boden. Feinster Latin Jazz!

Bugge Wesseltoft

Ja und dann kam mein persönliches Highlight des Abends: Bugge Wesseltoft ab 0:00 in der Hauptkirche St. Katharinen in der Altstadt. Der Norweger ist Pianist, Musik-Elektroniker und Labelchef von „Jazzland“ und hat ein wahnsinniges Gespür für Musik. Er samplet und experimentiert mit und um das Piano herum und zusammen mit den hohen Räumen der Kirche und den vielen Kerzen, die dort brannten, wollte man einfach nur die Augen schließen und die Musik aufsaugen, genießen und nicht mehr hergeben.

Wesseltoft begann noch ganz harmlos und gediegen am Piano und erfreute die in der Katharinenkirche versammelt Jazzgemeinde mit seiner Musik. Und dann begann er, elektronische Klänge und Samples einfließen zu lassen, die in den hohen Räumen auf´s wildeste miteinander zu spielen schienen. Für einige der Anwesenden war das scheinbar zu viel und nach gefühlten 30 Minuten verließen die ersten Besucher die Veranstaltung. Was nicht nur schade, sondern auch unhöflich gegenüber den geneigten Zuhörern war, denn die alten Kirchenbänke knarren nunmal ganz schön. Ein Keith Jarrett hätte wahrsheinlich spätestens jetzt fluchend die Bühne verlassen und das Konzert abgeblasen.

Bei Wesseltoft hingegen hatte ich das Gefühl, dass er damit gerechnet hatte und die „Spreu vom Weitzen trennen wollte“, denn er trieb es musikaisch immer bunter, was ich total abgefahren fand. Die Musik, die er im Laufe des Abends entwickelte, habe ich auch schon in den Clubs der House und Techno Szene gehört. Da war dann nichts mehr mit Augen zu und Musik fühlen, das war eher Augen ganz weit auf und mit Kopf und Füßen Musik und Beat mitwippen. Teilweise hatte ich das Gefühl, Wesseltoft steigerte sich so sehr in seine Musik hinein, dass er uns Zuhörer kaum noch wahrnahm, er verschmolz förmlich mit seiner Musik. Extrem gute Perfomance, da habe ich nachts nochmal von geträumt, irgendwie spielte dann auch Hochzeitsschmuck eine Rolle, vielleicht weil ich – wenn überhaupt – dann ihn meinen Hochzeitstanz spielen hören wollte??

Nicht ganz so schön war der Getränkeausschank im Eingangsbereich der Kirche, denn das Gläserklirren und Gerede der Gäste draußen drangen sehr massiv ins Innere der Kirche ein und schmälerten den musikalischen Genuss. Na und bei allem Verständis war es doch ein bischen peinlich für uns als Publikum, dass ungefähr ein Drittel die Performance nicht abwarten, die Leistung des Künstlers nicht würdigen konnte und alle anderen störend frühzeitig die Location verließ. Im Kino – ganz sicher, wäre haufenweise Popcorn geflogen für diese Unverschämtheit.

Für mich insgesamt ein extrem gelungener Abend – heute geht das Festival ja noch weiter und das Wetter ist heute einfach nur genial!

Aufgefallen waren mir noch die ewig langen Schlangen vor den Würstchenbuden und die teilweise recht hohen Preise, bspw. für Cola 4 € für eine 0,5 l Flasche, dafür war 0,33 l Bier oder Alsterwassser für 3 € zu bekommen – beide Preise exkl. Pfand versteht sich. Etwas mehr Gastro hätte der Veranstaltung sicher gut getan und evtl. hätte man auch die Wegstrecken, die man zwischen den verschiedenen Locations zurückzulegen hatte, etwas jazziger machen können, evtl. mit Straßenkünstlern und Musikern, ein bischen mehr Atmosphäre als Gesamtveranstaltung, nicht nur direkt in den einzelnen Locations.. Aber hey, es war das erste Elbjazz-Festival und für die nächste Veranstaltung muss es ja auch noch Luft nach oben geben – oder?

Ein Tagesticket kostet 39,90 € und für beide Tage hat man 59,90 € gelöhnt.

Alle Infos zum Elbjazz 2010 gibt es hier.

Und wer vorab mal in die Musik reinhören will, bei amazon habe ich verschiedene Musik CDs der genannten Künstler gefunden. Hier meine Empfehlungen:

CD Bugge Wesseltoft „Playing“

Rafeal Cortes mit „Alcaiceria“

„Midnight“ von Till Brönner

Viel Spaß und genießt die Musik!