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Bin ich eine Zuchtkuh? Kind und Mutterglück-Lüge.

Kind ja oder nein? Wenn ich mir mit Mitte 20 Gedanken über mein Leben machte, dann war mir klar, dass ich mit spätestens 30 Mutter sein wollte. Am besten 2 Kinder, schließlich habe ich auch eine Schwester und fand das immer toll. Doch je älter ich wurde, desto weiter weg schob ich diesen Gedanken. Die 30er Marke war irgendwann geknackt, doch ich verspürte weder die Bereitschaft Mutter zu werden, noch hörte ich die viel besprochene biologische Uhr ticken – bis heute nicht. Auch wenn mir die Frauenärztin schon ab 30 ins Gewissen reden wollte, wenn, dann jetzt…

Nun bin ich 38 Jahre alt, verheiratet und beruflich gesattelt, kann gut mit Kindern, find´s aber irgendwie gut, wenn es die Kinder der Freundin oder Schwester sind, die ich nach Bespaßung und Windelwechseln auch wieder zurückgeben kann. Kurz: Ich kann mich immer noch nicht eindeutig für oder gegen Kind entscheiden. Ich weiß natürlich, dass ich nicht mehr ewig Zeit für diese Entscheidung habe. Und dass meine biologische Uhr tickt, auch wenn ich sie nicht wirklich höre.

Ich bin doch keine Zuchtkuh, deren einzige Aufgabe darin besteht, Kinder in diese Welt zu setzen.

Und natürlich habe ich diverse Diskussionen führen oder mir auch nur Sprüche anhören müssen, warum ich mich nicht klar pro Kind entscheiden kann. Insbesondere die eigenen Eltern haben ja irgendwie das Bedürfnis, dass „etwas von uns in Form der Kinder und Enkelkinder auf dieser Welt verbleibt“. Gott, was habe ich mit meinem Stief-Dad diskutiert, dass ich mich als Frau nicht einfach in die Rolle „Mutter“ drängen lassen will. Und dass ich weiß Gott der Meinung bin, als Frau selbst entscheiden zu dürfen und es mit Verlaub gesagt auch nicht unbedingt als Bestimmung jeder Frau ansehe, Mutter zu werden. Ich bin doch keine Zuchtkuh, deren einzige Aufgabe darin besteht, Kinder in diese Welt zu setzen. Natürlich musste ich mir dann Worte wie egoistisch und planungsbesessen gefallen lassen. Ich egoistisch? Weil ich (evtl.) keine Kinder in die Welt setzen will? Hallo? Nur weil unsere Renten- und Sozialsysteme noch aus einer Zeit stammen, in der die Rollenverteilung da irgendwie anders war, in der es fast „normal“ war, dass Frauen zu Hause blieben und Kinder groß zogen, in der das Verhältnis aus Rentern und arbeitender Bevölkerung so aufging, dass die Jungen die Renten der Alten bezahlten, was seit ein paar Jahren und überalternder Bevölkerung nicht mehr aufgeht, soll ich das jetzt ausbaden?

Ist es überhaupt noch vertretbar, ein Kind in diese Welt zu setzen?

Und wo wir schon beim Thema sind, ich kann den Spieß auch mal umdrehen. Ich persönlich finde es egoistisch, in eine Welt, die bereits jetzt völlig überbevölkert ist, mehr denn je vor dem wirtschaftlichen, politischen und umweltpolitischen Kollaps steht, Kinder zu setzen. Und noch egoistischer, wo es weltweit volle Kinderheime gibt, auch in Deutschland. Voll mit Kindern dieser Welt, deren Eltern durch Krankheit, Krieg, Drogen oder was auch immer nicht mehr in der Lage sind, ihre Kinder selbst aufzuziehen. Müssen da immer noch mehr Kinder gezeugt und geboren werden? Kann man nicht ein Kind auch lieben, wenn es genetisch nicht das eigene ist? Ist das nicht viel egoistischer, diese Kinder einer ungewissen Zukunft zu überlassen, weil man lieber seine eigene Eizelle befruchten lassen wollte?

Aber zurück zum eigentlichen Thema. Ich versuche also seit Jahren zu einer Entscheidung zu kommen ob Kind ja oder nein. Und ich hinterfrage eben auch, warum mir mit Mitte 20 so völlig klar war, einmal Mutter zu sein und später dann eben nicht mehr. Und ich komme nicht umhin feststellen zu müssen, dass ich die Mütter, die ich in den vergangenen Jahren beruflich oder privat kennenlernte, schlicht nicht darum beneidet habe oder andersherum, sie mir manchmal echt leid taten, dass sie Mutter sind. Was weniger etwas mit den Kids zu tun hat, denn die meisten sind echt entzückend, knuddelig und ich finde die meisten echt toll. Es sind vielmehr die Umstände, unter denen Frauen heute Kind, Beziehung und Job unter einen Hut bringen müssen.

Schatz, im ersten Jahr kannste mich abschreiben, da kann ich mit dem Baby einfach noch nichts anfangen..

Egal was die Typen vor der Geburt versprechen, meist stehen die Mütter dann hinterher (fast) alleine da. Ich erlebe es wirklich oft, dass die Väter ihr ganz normales vor-geburtliches Leben weiterleben, während sich die Mamies komplett hinten anstellen müssen und offenbar nur noch Mutter sind (in der Wahrnehmung des Rests der Welt). Ja es gibt die Väter, die sich kümmern, doch irgendwie scheint der Großteil der Organisation mit Kind und Kegel der Mutter zu obliegen. Ist das Kind krank, hat die Mutter zu Hause zu bleiben. Wer arbeitet nach der Geburt erst einmal Teilzeit? Meist die Mutter. Wer geht weiterhin abends auf Piste, weil er ja „eh nicht die Brust geben kann“? Er. Wer quält sich nachts mehrfach aus dem Bett und gibt die Brust? Sie. Keine Frage, es ist für alle Beteiligten anstrengend, trotzdem erlebe ich es in meinem Bekanntenkreis leider oft so, dass der Großteil eben doch an den Frauen hängen bleibt. Und darauf habe ich keine Lust. Zumal mein Partner (der im Übrigen bereits eine Tochter hat) da auch ganz ehrlich zu mir sagt: „Schatz, im ersten Jahr kannste mich abschreiben, da kann ich mit dem Baby einfach noch nichts anfangen. Aber wenn du uuuuunbedingt willst, machen wir natürlich gern ein Kind.“ Aber immerhin, ehrlich iss er und ich glaube, genauso läuft´s nämlich auch. Nur dass meiner mir wenigstens direkt sagt, was Sache ist.

Sie geben einem soooo viel zurück.. – So ein Bullshit!!

Ich habe ja nun auch ein Kind mit großgezogen. (Wie gesagt, hat mein Mann aus früherer Beziehung eine Tochter, die im Alter von 9 Monaten in mein Leben kam – ich war übrigens NICHT der Trennungsgrund). Und was soll ich sagen, für mich funktioniert es einfach nicht: mehrfach nachts aufstehen, voll gekackte Windeln wechseln, Flasche geben, um 4:30 Uhr von sirenenartigem Kindergeschrei geweckt werden, ab 5 Uhr morgens den Alleinunterhalter zu geben. Ständig den halben Hausrat dabei zu haben, weil sich das Kind unterwegs a) vollkotzen, b) vollkacken, c) sein Essen großflächig auf die Klamotten schmieren könnte. Nur noch auf halber Flamme laufen, weil der Körper aufgrund Schlafmangels und ständigem „um das Kind Umhergerenne“ nur noch die notwendigsten Selbsterhaltungsmaßnahmen umsetzt. Gott, ich war froh, montags wieder ins Büro zu kommen. Und ich war nur eine Wochenend-Mami!! Tja und dann werden sie älter und wenn du Pech hast, geraten sie an komische Freunde (oder auch nicht) und auf einmal bist du der letzte Arsch. Bist irgendwie nur noch Geldgeber, Servicepersonal aber ansonsten einfach extrem uncool, sodass der Spross am liebsten gar nicht mit dir zusammen gesehen werden will (darf ich gerade bei ner Freundin miterleben – scheiß Pubertät!). Dann läuft´s in der Schule auch nicht mehr und der Druck, dein Kind so auf die Welt vorzubereiten, dass es dort gut überleben kann, wird immer größer. Und wieder hast du schlaflose Nächte, nur jetzt nicht mehr, weil das Baby schreit, sondern weil du dir Gedanken/Sorgen machst oder vielleicht gar nicht mehr an dein Kind rankommst. Kleine Kinder, kleine Sorgen, große Kinder, große Sorgen!

Und da kann mir KEINE Mutter dieser Welt weismachen, dass mit einem Lächeln des Kindes alles vergessen ist. Quatsch, Blödsinn, Bullshit! Ich kann verstehen, dass es wahnsinnig schöne Gefühle und Hormonexplosionen in dir auslöst, wenn dich dein Kind anlächelt, es dir sagt, dass es dich lieb hat, dich respektiert und du eine Vertrauensperson bist. Ja, das ist wunderschön. Aber es ist definitiv KEINE mathematische Gleichung, bei der am Ende alles auf 0 rausläuft. Du gibst wahnsinnig viel von dir auf und in dein Kind, aber was ihr später für eine Beziehung haben werdet, ist überhaupt nicht klar. Und wenn man sich für´s Muttersein entscheidet, sollte man das auch nicht machen „weil das Kind am Ende sooo viel zurückgibt“. Denn das muss es auch nicht, denn schließlich hat das Kind ja nicht die Entscheidung getroffen, in dieses Leben einzutreten.

Ich habe die Abteilungsleiterfuntion nur bekommen, weil ich unserem Chef meine Gebärmutter im Einweckglas auf den Tisch gestellt habe…

Als Frau im gebärfähigen Alter ohne Kinder musst du meiner Erfahrung nach in Bewerbungsgesprächen hieb- und stichfest darlegen, dass du aber auf keinen Fall Kinder planst. Ich will gar nicht wissen, wie man sich mit Kindern gebährden muss. Und auch wenn es um Aufstiegschancen im Unternehmen geht, sollte man immer darauf achten, dass man zu 150% belastbar und einsetzbar ist. Und das geht in den meisten Fällen mit Kind eher schlecht. Ich hatte mal eine Kollegin die zu mir sagte, dass sie die Position als Abteilungsleiterin nur bekam, weil sie dem Chef ihre Gebärmutter im Einweckglas auf den Schreibtisch gestellt habe. Sie ist dann übrigens ein paar Jahre später doch schwanger geworden, in ihren Job als Abteilungsleiterin kehrte sie aber nicht mehr zurück, denn mit Kind können man diesem Job nicht gerecht werden. Sie hat dann eine andere Position bekommen und hatte damit noch Glück. Denn wie ich später erleben musste, bekommen junge Mütter, die nach der Elternzeit wieder in den Job einsteigen wollen, gerne mal 2 Tage vor dem Neustart eine Mail, dass sie eigentlich nicht mehr gebraucht würden und man doch über eine ordentliche Abfindung sprechen könne. Hallo geht´s noch?

Aber selbst wenn du das wahnsinnige Glück hast, wieder in deinem Job zu arbeiten, was zuerst einmal voraussetzt, du konntest dein Kind in einer Kita oder bei einer Tagesmutter unterbringen, bist du doch als Mutter ständig mit halbem Ohr am Handy, weil die Kita anruft, weil sich der Kleine einen Splitter eingefangen hat und du ihn unbedingt abholen musst. Oder weil einige Kinder jeden, wirklich jeden Virus mitnehmen und permanent krank sind. Dass dir die Kollegen dann auch irgendwann den Stinkefinger zeigen, weil du ständig ausfällst, ist irgendwie nicht schön, aber nachvollziehbar. Kurz gesagt: ich erlebe es als wahnsinnige Zerreissprobe, wenn du als Mutter und im Job bestehen willst. Klar, jeder kann sich auch für ein Leben als nur Mutter entscheiden. Aber wenn vollgekotzte Klamotten, Babygebrabbel und enormer Spieltrieb meine Leidenschaft wären, wäre ich wohl Kindergärtnerin geworden. Nichts gegen diesen Berufsstand, alle Achtung, ein viel zu schlecht bezahlter Knochenjob. Aber ich persönlich würde in diesem Umfeld eingehen. Und ich weiß, dass vielen Mamis nach ein paar Monaten zwischen Brei aufwärmen, Milch abpumpen und Windeln einfach die Decke auf den Kopf fällt.

Ich könnte jetzt ewig so weiterschreiben. Es zeigt doch nur die Gedanken, die ich mir zu diesem Thema mache und die nicht durchweg pro Kind sind. Und ich finde es wichtig, da nicht unbedacht eine Entscheidung zu treffen, die ich hinterher vielleicht bereue. Nur dann ist das Kind da und lässt sich nicht mehr weghexen. Bereits im letzten Jahr erregte eine (nicht repräsentative) Umfrage unter ich glaube 25 Müttern Aufsehen, weil diese angaben, ihre Kinder zwar zu lieben, jedoch das Muttersein unterschätzt hätten und wenn es die Möglichkeit gäbe, die Zeit zurückzudrehen, sich gegen Kinder entscheiden würden. Wichtig: Es geht nicht um die Kinder, sie lieben ihre Kinder. Es geht aber um die Umstände, wie du als Frau das Muttersein erlebst, in welche Rolle du gedrängt wirst und im Zweifel auch, dass sich dein Leben extrem verändert hat und zwar nicht so, wie du es als glücklich und bereichernd empfindest (Spontanität, Selbstbestimmtheit, berufliche Verwirklichung sind erst einmal passé). Auch deine Partnerschaft ist unter Umständen nicht mehr dieselbe. Wahnsinnig viele Beziehungen scheitern ja in den ersten Monaten oder Jahren, wenn auf einmal Nachwuchs da ist. Kein Wunder, wie ich finde: mein Mann und ich genießen es, am Wochenende lange auszuschlafen, ausgiebig zu frühstücken und dann irgendwas zu unternehmen. Abends miteinander zu quatschen, für einander da zu sein. Dass diese Form der Zweisamkeit nicht mehr so richtig möglich ist, wenn da ein total von dir abhängiges, unbeholfenes Wesen da ist, das deine ganze Aufmerksamkeit und Fürsorge einfordert, ist irgendwie auch klar.

Diesem Thema, wie die Mutterschaft dein Leben verändert, widmet sich auch Autorin Sarah Fischer, die mit 39 Jahren Mutter wurde und sich das auch ganz genau überlegt hat. Trotzdem gehört sie heute zu den Frauen die sagen, unter den Umständen wäre sie lieber nicht Mutter geworden. Folglich heißt ihr Buch: Mutterglück-Lüge (Regretting Motherhood). Erhältlich bei Amazon:

Ich denke, dass dieses Buch gerade für Frauen, die sich mit dem Thema Mutterschaft auseinandersetzen und wie ich, nicht klar wissen ob ja oder nein, extrem lesenswert ist. Weil sich die Autorin im Vorfeld ihrer Entscheidung pro Kind sehr mit der Entscheidungsfindung auseinandergesetzt hat, kann sie einen sehr guten Überblick geben, was später wirklich auf einen zukommt. Ich verstehe ihr Buch aber insbesondere auch so, dass sie grundsätzlich auf Misstände aufmerksam macht und wachrütteln will, dass sich endlich auch an den Rahmenbedingungen etwas ändert, wenn man ein Kind in Deutschland aufziehen möchte.

Bild Icon Babyschnuller siehe Bildnachweis